Die Menschenrechte spielen in der öffentlichen Debatte in Deutschland keine große Rolle. Meist werden die sozialen Rechte nicht als sinnvolle Verpflichtungen staatlichen Handelns angesehen oder sie werden allenfalls als Aufgabe für die Entwicklungsländer betrachtet. Diese Position verkennt die Universalität der Menschenrechte und ihre Funktion als Wächter nicht nur der staatlichen Verfassungen, sondern auch der staatlichen Einzelgesetze.
Der UN-Sozialpakt von 1976 hat die Menschenrechte international rechtlich verbindlich anerkannt. Ein Staat, der den Sozialpakt ratifiziert hat, ist verpflichtet, die Menschenrechte in seinem gesamten Handeln zu schützen, zu achten und zu gewährleisten. Der UN-Sozialpakt enthält das Recht auf Wohnen und Existenzminimum (Art. 11), auf Arbeit (Art. 6), Familie + Kinder (Art. 10), Gesundheit (Art. 12) und Bildung (Art. 13). Auch Deutschland hat den Sozialpakt ratifiziert und ist deshalb gehalten, die dort verbrieften Rechte zu fördern. Ein menschenrechtlicher Arbeitsansatz ist für die Probleme von Wohnungsnot und Armut deshalb so wichtig, weil Wohnungslosigkeit bedeutet, dass der Zugang zu all diesen Rechten massiv eingeschränkt oder verwehrt ist. Darüber hinaus hat sich Deutschland in den letzten Jahren auf einzelgesetzlicher Ebene von einer breiten und vertieften Verwirklichung der Menschenrechte für die armen Bevölkerungsgruppen entfernt. In prominenter Weise hat darauf indirekt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungswidrigen Berechnung des Regelsatzes aufmerksam gemacht.
In dieser Ausgabe befassen sich zwei Autorinnen aus unterschiedlicher Perspektive mit diesem wichtigen Thema. Frau Dr. Claudia Mahler vom Deutschen Institut für Menschenrechte zeigt die grundsätzlichen Verpflichtungen Deutschlands vor dem Hintergrund der einschlägigen Konventionen auf und stellt dar, welche rechtlichen Bedeutungen diese Regelungen haben. Frau Rotraud Kießling zeigt am Beispiel Sachsen auf, wie ein konkretes Monitoring der Menschenrechte in der Wohnungslosenhilfe aussehen kann. Zur Nachahmung empfohlen!
Dr. Thomas Specht,
Geschäftsführer BAG Wohnungslosenhilfe e.V.