In diesem Jahr hat die BAG Wohnungslosenhilfe die Empfehlung „Integriertes Notversorgungskonzept: ordnungsrechtliche Unterbringung und Notversorgung - Definitionen und Mindeststandards“ vorgelegt, die wir im Rahmen dieses Themenschwerpunkts dokumentieren.
In ihrem Wohnungspolitischen Programm fordert die BAG W ein Ende der Unterbringung Wohnungsloser in Asylen, Schlichtwohnungen und Obdachlosensiedlungen; die Vermeidung von Wohnungslosigkeit solle oberste Priorität erhalten. Jedoch ist es bis heute nicht gelungen, die ordnungsrechtliche Unterbringung überflüssig werden zu lassen. Im Gegenteil: Angesichts der steigenden Zahl wohnungsloser Bürgerinnen und Bürger, werden gegenwärtig mehr Menschen als in den zurückliegenden Jahren auf ordnungsrechtliche Unterbringung und Notversorgung angewiesen sein.
Vor diesem Hintergrund sah die BAG W die Notwendigkeit Prinzipien ordnungsrechtlicher Unterbringung zu formulieren sowie Mindeststandards zu definieren und einzufordern. In diesen Kontext steht auch der Themenschwerpunkt der wohnungslos. Die einzelnen Beiträge werfen ein Schlaglicht darauf wie unterschiedlich Notversorgung und ordnungsrechtliche Unterbringung in Deutschland stattfinden: Die Beiträge schildern gute Modelle integrierter Versorgungskonzepte, dem Ziel und Anspruch verpflichtet Wohnungslosigkeit zu verhindern und bereits wohnungslose Menschen wieder mit eigenem Wohnraum zu versorgen, aber auch die inakzeptable Situation, dass viele Regionen „von der Rechtsverwirklichung der gesetzlich vorgesehenen Hilfen für Menschen, die von Wohnraumverlust bedroht sind oder die schon in Obdachlosenunterkünften leben müssen, noch weit entfernt sind“, so das Fazit von Rainer Krebs in seiner Schilderung der ordnungsrechtlichen Unterbringung im Land Brandenburg.
Zugleich wird in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam – so schreiben Katja Fisch und Achim Böttche in ihrem Beitrag „an der Weiterentwicklung der Wohnungslosenhilfe [...] zielstrebig gearbeitet. Auch wenn die Platzkapazität zur Unterbringung obdachloser Menschen [...] ausgebaut werden musste, ist es ein erklärtes Ziel, einem weiteren Anstieg des Unterbringungsbedarfes und damit steigendem Platzbedarf entgegenzuwirken.“ Peter Szynka und Udo Veleba legen einen Zwischenbericht zur ordnungsrechtlichen Unterbringung in Niedersachsen vor; einige Ergebnisse: Die Sorge der Gemeinden gilt oft eher den wohnungslosen Familien als den alleinstehenden Wohnungslosen, einzelne Gemeinden halten die Adressen ihrer Unterkünfte geheim, „damit niemand auf den Gedanken kommt, eine Unterbringung zu verlangen“, größere Städte verfügen z. T. über differenziertere Strukturen. Sandra Klasen schildert in ihrem Artikel warum für die Stadt Heide die finanzielle Unterstützung des Kommunal-Diakonischen Wohnungsverbands günstiger ist als die Reaktion als Ordnungsbehörde. Zum Themenschwerpunkt gehört auch die von Manfred Hammel in der Rubrik „Rechtsprechung“ zusammengestellte Sammlung von Gerichtsentscheidungen zum Obdachlosenrecht.
Mit diesem Themenheft können wir natürlich kein umfassendes Bild der ordnungsrechtlichen Unterbringung in Deutschland zeichnen, aber die Beiträge lassen ahnen, dass in vielen Regionen – und nicht nur in den hier beschriebenen - dieser Bereich im Argen liegt. Als Ergebnis einer BAG W-Erhebung über den Bestand und Standard kommunaler Übernachtungsmöglichkeiten aus dem Jahr 19991 musste damals konstatiert werden, dass die Angebote der Kommunen „in nicht unerheblichem Maße an der Aufrechterhaltung eines für die betroffenen Männer und Frauen [...] stigmatisierenden Alltags beteiligt [sind].“ Auch im Jahr 2013 ist zu befürchten, dass sich dies für manche Region noch nicht geändert hat.
Wir haben uns entschieden dieses Heft der wohnungslos als Doppelnummer herauszugeben, da wir neben den interessanten Beiträgen von Alexander Sbosny / Ulrich Thien und Stephan Nagel noch weitere Empfehlungen der BAG Wohnungslosenhilfe dokumentieren möchten. Ebenfalls im Frühjahr diesen Jahres sind diese Empfehlungen und Positionierungen herausgegeben worden: „Sozialer Arbeitsmarkt und Sozialunternehmen“, „Prinzipien einer normalitätsorientierten gemeindenahen Versorgung älterer und / oder pflegebedürftiger wohnungsloser Männer und Frauen“, „Hilfen für Migrantinnen und Migranten in Wohnungsnot und sozialen Schwierigkeiten“, „Rechtsansprüche junger Erwachsener in Wohnungsnot und sozialen Schwierigkeiten verwirklichen und fortentwickeln!“ Wir hoffen, Ihnen mit dieser Doppelnummer einen guten Überblick über aktuelle Diskussionen der Hilfen in Wohnungsnotfällen verschaffen zu können.
Werena Rosenke,
Schriftleitung wohnungslos