Trotz Rückgang der Wohnungslosigkeit sind zehntausende Haushalte vom Wohnungsverlust bedroht

BAG Wohnungslosenhilfe e.V. kritisiert beschönigende Darstellung des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung

Bielefeld, 03.06.2008. Es ist richtig, dass aufgrund der guten präventiven Arbeit von Kommunen und Freien Trägern der Wohnungslosenhilfe sowie der in zahlreichen Regionen Deutschlands relativ entspannten Wohnungsmärkte die Wohnungslosigkeit im letzten Jahrzehnt deutlich rückgängig gewesen ist. Dies ist aber nach Erkenntnissen der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), auf deren Schätzung der Wohnungslosen in dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Bezug genommen wird, nur eine Wahrheit.

„Die Zahl der von Wohnungsverlust bedrohten Menschen fehlt vollständig im Bericht, obwohl die BAG W darauf hingewiesen hat“, erklärte Winfried Uhrig, Vorsitzender der BAG W. „Dies sind nach unserer Schätzung zwischen 60.000 und 120.000 Haushalte mit mindestens 120.000 bis zu 235.000 Personen.“

Es gebe zahlreiche Probleme bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zu den Wohnkosten, die ins. die wohnungslosen Menschen, aber auch viele andere Sozialhilfebezieher treffen.

Dies habe eine im März und April 2007 von der BAG W durchgeführte Blitzumfrage ergeben.

Nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse dieser Umfrage, die auch an die Bundesregierung weitergeleitet worden sind

  • Bei Überschreitung der sog. angemessen Miete müssen die Überschreitungsbeiträge aus dem Regelsatz bezahlt werden.
  • Die Mietobergrenzen sind aber vielerorts unangemessen, werden nicht angepasst bzw. sind nicht an den örtlichen Mietspiegeln angelehnt.
  • Mietkautionen werden ausschließlich auf Darlehensbasis gewährt und sofort mit Beginn des ALG II-Bezuges fällig. Dies ist ein eindeutiger Verstoß gegen geltendes Recht und treibt die betroffenen Haushalte weiter in die Verschuldung.
  • Es gibt häufig eine pauschale Begrenzung der Nebenkosten, die aber nicht der Realität entspricht. Die tatsächlichen Heiz- und Nebenkosten werden vielerorts nicht übernommen.

Winfried Uhrig: „Gestiegene Energiekosten und zu niedrige Mietobergrenzen tragen zu einer weiteren Verschuldung der betroffenen Haushalte bei. Die Gefahr des Wohnungsverlustes wächst. Ein Rückgang der Wohnungslosigkeit bedeutet nicht zugleich ein Zurückdrängen von Armut. Vielmehr wächst die Zahl der armen und verschuldeten Menschen in Wohnungen.“

Verschärfung der Situation der jungen Erwachsenen im ARB nicht erwähnt

Auch wenn die Wohnungslosigkeit insgesamt rückläufig ist, hat der Anteil der jungen Erwachsenen – insbesondere der jungen Erwachsenen bis 24 Jahre – an den Wohnungslosen überproportional zugenommen. Dieser deutlich spürbare Anstieg in der Altersgruppe der U-25-Jährigen - insbesondere in den letzten Monaten - ist nach Meinung der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. eine direkte Folge der Verschärfung der Sanktionsregelungen für diese Altersgruppe im SGB II: Ihnen können nicht nur die Regelleistungen zum Lebensunterhalt gekürzt werden, sondern auch die Leistungen für Miete und Nebenkosten können gänzlich zurückgefahren werden. Außerdem hat der Gesetzgeber im § 22 Abs. 2a SGB II erschwerte Bedingungen zur Gründung einer eigenen Bedarfsgemeinschaft festgeschrieben. Dies hat zu einer deutlichen Zunahme junger erwerbsfähiger und i.d.R. in schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsener Menschen in den Einrichtungen und sozialen Diensten der Wohnungslosenhilfe geführt. Sie fliehen aus einem zerrütteten und häufig von Gewalt geprägten Leben in der Familie in ein Leben auf der Straße oder in ungesicherten Wohnverhältnissen.

„Dass diesen jungen Männern und Frauen fast jede positive Entwicklungsmöglichkeit genommen wird, bleibt in dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vollkommen unberücksichtigt. Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. hält dies für verantwortungslos. Wir fordern seit Inkrafttreten der SGB II-Regelungen eine entsprechende Änderung, die den tatsächlichen Lebensumständen dieser Menschen gerecht wird“, so Winfried Uhrig.

PRM_2008_06_03_Praevention.pdf