Bundesweite Plakataktion der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. "Die Entdeckung Bahnhof - Wer nicht konsumiert muss raus?!"
Plakate für das Aufenthaltsrecht Wohnungsloser werden ab 16. April wieder bundesweit geklebt
Berlin/Bielefeld. Am Stralauer Platz, gegenüber dem Berliner Ostbahnhof, ist am Dienstagmorgen das Plakat der Wohnungslosenhilfe für das Aufenthaltsrecht Wohnungsloser erneut geklebt worden - so wie dies an über 40 Standorten bundesweit auch geschehen wird.
Im Streit um die Plakataktion der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) gegen die Vertreibung Wohnungsloser aus den Bahnhöfen hatte das Landgericht Kassel dem Antrag der BAG W auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Deutsche Eisenbahn-Reklame GmbH (DERG) statt gegeben. Die Eisenbahnreklame darf den beteiligten Werbefirmen nicht mehr untersagen, die Plakate der BAG W zu plakatieren. Die DERG habe "in sittenwidriger Weise vorsätzlich" in die Rechte der BAG W eingegriffen. In dem Kasseler Urteil heißt es weiter, dass die DERG damit auch das Grundrecht der BAG W auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs.1 GG verletzt habe.
Ab dem 16. April werden die Plakate nun wieder an den von der BAG W gebuchten bahnhofsnahen Werbeflächen geklebt.
Wohnungslose nicht zu Sündenböcken stempeln
"Die Verdrängung und Vertreibung Armer aus dem öffentlichen Gesichtsfeld beseitigt nicht die Ursachen von Armut und ihren Begleiterscheinungen. Sie vertiefen nur die Spaltung der Gesellschaft", erklärte Thomas Specht-Kittler (BAG Wohnungslosenhilfe) anlässlich der Neuplakatierung.
Besonders ins Visier genommen hatte Bahnchef Hartmut Mehdorn die Wohnungslosen. Im Oktober letzten Jahres erklärte er, Wohnungslose gehörten nicht in den Bahnhof. Die Bahnhöfe in Deutschland sollten sauberer werden.
Grundrechtsbindung der Bahn bestätigt
Mit diesem Urteil ist nochmals die Grundrechtsbindung der Bahn bestätigt worden. "Für uns ist es wichtig, dass das Landgericht Kassel mit seiner Entscheidung klargestellt hat: Die Deutsche Bahn AG ist trotz Privatisierung weiterhin in besonderer Weise zur Beachtung der Grundrechte verpflichtet!" sagte Werena Rosenke (BAG W) "Das heißt, die Deutsche Bahn AG kann als 100%iges Staatsunternehmen nicht die Privatautonomie für sich in Anspruch nehmen, die etwa bei Unternehmen ohne Staatsbeteiligung gilt."
Recht auf Freizügigkeit
Die BAG W forderte die Bahn AG erneut auf, die allgemeine Zugänglichkeit der Bahnhöfe für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Thomas Specht-Kittler: "Die Freiheitsrechte des Einzelnen, das Grundrecht auf Freizügigkeit darf nicht zur Disposition gestellt werden." Die Bahn müsse sich von ihrer Diskriminierung obdachloser Personen öffentlich distanzieren, so die Sprecher der BAG W, und das Verbot des "Herumlungers" umgehend aus den Verbotstatbeständen der DB-Hausordnung streichen. Die Hausordnung der Bahn AG verbietet das "Herumlungern von Personen". Diesem Verbotstatbestand fehlt die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit. Werena Rosenke (BAG W): "Solch ein Verbot öffnet Tür und Tor für eine gezielte Diskriminierung und Vertreibung einzelner Personengruppen."
Wohnungslosenhilfe ist gesprächsbereit
"Die BAG Wohnungslosenhilfe wünscht sich einen konstruktiven und direkten Dialog mit dem Vorstand der Deutschen Bahn AG und wir wünschen uns, dass die Bahn AG das Gespräch mit der Wohnungslosenhilfe und ihren sozialen Diensten vor Ort sucht", erklärte Thomas Specht-Kittler. "Wir möchten aus der Sicht der praktischen Hilfen für Wohnungslose unsere rechtlichen und sozialpolitischen Einwände und Bedenken gegen den gegenwärtigen Kurs der Bahn AG formulieren und diskutieren mit dem Ziel einer für alle Seiten akzeptablen Lösung."
Bielefeld/Berlin, 16.04.02
Auf unserer Aktionswebsite www.die-entdeckung-bahnhof.de finden Sie u.a. das Plakatmotiv, unsere bisherigen Presseerklärungen zur Aktion, das von der BAG W in Auftrag gegebene Rechtsgutachten sowie das Urteil des Kasseler Landgerichts vom 21.03.