Im Winter 2014 / 2015 bisher mindestens sieben wohnungslose Menschen erfroren
Berlin, 03.03.2015. Nach Kenntnis der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), dem bundesweiten Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, sind im Winter 2014 / 2015 bisher mindestens sieben wohnungslose Menschen erfroren. Wir erachten die Veröffentlichung dieser Fälle für geboten, um die notwendige Prävention anzumahnen.
Die Kältetoten im Winter 2014 / 2015:
- Genthin (Sachsen-Anhalt), 13.11.2014: ein 43-jähriger wohnungsloser Mann, in der Nähe seiner Unterkunft
- Hamburg, 17.12.2014: eine 55-jährige wohnungslose Frau, am Rathausmarkt
- Norderstedt (Schleswig-Holstein), 27.12.2014: ein 44-jähriger wohnungsloser Mann, auf einer Gartenbank eines Wohnhauses
- Lauchhammer (Brandenburg), 04.01.2015: ein 55-jähriger wohnungsloser Mann, in einer Gartenlaube
- Hamburg, 24.01.2015: ein wohnungsloser Mann, in der Nähe eines Kanals
- Frankfurt am Main, 04.02.2015: ein 39-jähriger wohnungsloser Mann, am Hauptbahnhof
- Hessisch Oldendorf (Niedersachsen), 24.02.2015: ein 53-jähriger wohnungsloser Mann, in einem Waldgebiet
Nach Kenntnis der BAG Wohnungslosenhilfe sind damit seit 1991 mindestens 290 Wohnungslose unter Kälteeinwirkung verstorben. Sie erfroren im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, in Abrisshäusern, in scheinbar sicheren Gartenlauben und sonstigen Unterständen.
Besonders betroffen sind die ca. 24.000 Wohnungslosen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben. Jede Kommune in Deutschland muss Wohnungslose, unabhängig von der Nationalität, nach Ordnungsrecht unterbringen. Städte und Gemeinden verstoßen gegen ihre Amtspflichten, wenn sie nicht rechtzeitig Notunterkünfte bereitstellen oder verschaffen.
Die BAG Wohnungslosenhilfe bekräftigt deswegen ihre Appelle und Forderungen an die Kommunen:
- Straßensozialarbeit und andere Formen aufsuchender Arbeit auf- oder ausbauen, um von Kälte bedrohte Wohnungslose auf der Straße aufsuchen zu können
- Notrufnummern einrichten oder den Notruf 110 propagieren, damit Bürgerinnen und Bürger gefährdete Menschen melden können
- Mindestmaß an Privatsphäre und Selbstbestimmung in der Unterbringung ermöglichen
- Schutz und Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt in den Unterkünften gewährleisten
- Für wohnungslose Frauen muss eine separate und sichere Unterbringung ermöglicht werden
- Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für kleinere Gruppen von Wohnungslosen (auch mit Hunden)
- Großzügige Öffnungszeiten der Unterkünfte, d.h. nachts und auch tagsüber
- Keine Befristung des Aufenthaltes auf wenige Tage
- Öffnung von U-Bahnstationen, Bahnhöfen und anderen geeigneten öffentlichen Gebäuden
- Ausreichend viele niedrigschwellige Tagesaufenthalte
- Notfalls zusätzliche Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten (bspw. leerstehende Gewerbe-Immobilien, die beheizbar sind und über sanitäre Einrichtungen verfügen)
Unter dem Titel „Den Kältetod von Wohnungslosen verhindern!“ hat die BAG Wohnungslosenhilfe bereits vor drei Jahren eine Handreichung erstellt, in der die rechtlichen Grundlagen der staatlichen Schutzpflichten zusammenfassend dargestellt und Eckpunkte für Maßnahmen zum Erfrierungsschutz benannt werden.
An die Bürgerinnen und Bürger appelliert die BAG Wohnungslosenhilfe eindringlich:
„Seien Sie aufmerksam! Wenn Sie wohnungslose Menschen sehen, die hilflos oder in einer Notsituation sind, setzen Sie die Polizei in Kenntnis, wählen Sie den Notruf 110! Alarmieren Sie bei akuter gesundheitlicher Gefährdung den Rettungsdienst 112!“
POS_11_Handreichung_Kaeltetod_verhindern.pdf