Regierung schreibt wohnungslose Langzeitarbeitslose ab!
BAG Wohnungslosenhilfe e.V. fordert bedarfsgerechte Arbeitsmarktprogramme statt flächendeckender Kürzungen bei der Eingliederung in Arbeit
Bielefeld, 28.06.2011. Die geplante Reform der Eingliederung in Arbeit („Instrumentenreform“) wird zu flächendeckenden Kürzungen der bestehenden Eingliederungsangebote in den Arbeitsmarkt für wohnungslose Langzeitarbeitslose führen.
Dr. Thomas Specht, Geschäftsführer der BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W): „Die geplanten Reformen sind weder gerecht noch bedarfsgerecht. Statt Rahmenbedingungen für passgenaue Hilfeangebote zu machen, werden die Hilfen nicht nur eingeschränkt, sondern bundesweit abgebaut. Das bisherige und die weiteren Sparpakete im Bereich der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sind ein neuer Höhepunkt in der Politik der sozialen Ausgrenzung. Der Sozialstaat ist offensichtlich nicht mehr für alle da!“
Arbeit ist – ganz entgegen mancher veröffentlichter Meinung - ein zentraler Wert für Menschen in Armut und Wohnungsnot. Zwar sind sie oft langzeitarbeitslos, d.h. länger als ein Jahr ohne Arbeit, haben aber in ihrem Leben immer wieder für kürzere oder längere Zeit gearbeitet: als Maler, Raumausstatter, Pflegekraft, Landschaftsgärtner, Metallarbeiter oder Lackierer. Immerhin haben 40 % der betroffenen Frauen und 50 % der Männer eine abgeschlossene Berufsausbildung. Aber wohnungslose Menschen sind neben ihrer Wohnungslosigkeit zu 90 % langzeitarbeitslos und bedürfen daher einer besonderen Förderung.
Die Dienste und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe bieten deshalb auch selbst Hilfen zur Qualifikation und Wiedereingliederung an: Dies geschieht über Angebote im Bereich von Holzverarbeitung, Küchen und Cafeterias, Sozialkaufhäusern, in der Garten- und Landschaftsgärtnerei, Hausmeisterei, bei Montagearbeiten und vielen anderen Bereichen der Wirtschaft.
Die BAG Wohnungslosenhilfe weist darauf hin, dass eine Deckelung der Trägerpauschale bei der Finanzierung das faktische Aus für viele Angebote der Träger bedeutet. Die Kürzungen im Eingliederungstitel der Bundesagentur für Arbeit beliefen sich schon 2010 auf 20 %; 2011 kommen weitere 20 % dazu und 2012 erneut 10 %. Damit bricht dann die entscheidende Finanzierungssäule weg und ist nicht zu ersetzen. Dies trifft neben vielen anderen Bereichen der sozialen Arbeit die Wohnungslosenhilfe besonders, da es hier eine deutliche Unterversorgung mit Eingliederungsmaßnahmen gibt.
Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf weitere Regelungen zur so genannten „Wettbewerbsneutralität“ von Fördermaßnahmen vor. Die Hilfeangebote führen in aller Regel nicht zur Wettbewerbsverzerrung. Notwendige Absprachen wurden und werden bisher vor Ort mit den Industrieund Handelskammern erfolgreich getroffen. Die Neuregelung ist nicht nur überflüssige Bürokratie, sondern wird dazu führen, dass Angebote aufgrund formaler Risiken de facto nicht mehr aufrechterhalten werden können und geschlossen werden.
Die BAG W fordert in ihrem Arbeitsmarktpolitischen Programm eine Neuausrichtung der gesamten Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose. Dr. Thomas Specht: „Die jetzige Ausrichtung der Arbeitsmarktinstrumente erreicht gerade nicht die besonderen Problemgruppen des Arbeitsmarktes in ausreichender Form, sondern schafft einen neue Klasse der `Überflüssigen`.“
Die BAG W fordert deshalb:
- Einführung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes mit sozialversicherungsrechtlicher Absicherung : Es müssen endlich dauerhafte Strukturen für besonders arbeitsmarktferne und wohnungslose Menschen geschaffen werden
- Streichung der neuen Fördervoraussetzungen „Zusätzlichkeit“, „öffentliches Interesse“ und „Wettbewerbsneutralität“
- Aufhebung der Deckelung der Trägerpauschale, um die Finanzierung der Eingliederungsangebote in Arbeit zu erhalten