Der Sozialstaat gehört allen

Wohnungslosenhilfe beschließt Kampagne im Europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung

München, 20.11.2009. Existenzbedrohende Problemlagen wie Wohnungsnot, Armut und soziale Ausgrenzung tauchen im Vokabular der neuen Bundesregierung nicht auf. Damit sich dies ändert, hat die BAG Wohnungslosenhilfe, der bundesweite Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, auf seinem Bundeskongress in München für das Jahr 2010 eine öffentliche Kampagne beschlossen. „Der Sozialstaat gehört allen!“ so lautet das Motto der geplanten Aktionen. „Wir erwarten von der Bundesregierung konkrete Maßnahmen bei der Verhinderung von Wohnungsverlusten, der Beteiligung von Menschen in Wohnungsnot am Arbeitsleben und der medizinischen Versorgung Wohnungsloser“, so Winfried Uhrig, Vorsitzender der BAG Wohnungslosenhilfe in München.

Die BAG W lehnt die Überlegungen der Bundesregierung zur Pauschalierung der Energie- und Nebenkosten sowie der Kosten der Unterkunft ab. Schon jetzt seien die nicht an den örtlichen Mietspiegeln angepassten Mietobergrenzen und pauschale Begrenzungen der Betriebs- und Heizkosten für viele arme Haushalte ein weiterer Einstieg in die Verschuldungsspirale, die letztlich zu Mietrückständen und damit zu Wohnungsverlusten führen könnte.

„Ebenso erwarten wir ein Ende des staatlich festgelegten Auszugsverbots für junge Frauen und Männer, die weder über gut situierte Eltern noch über einen Arbeitsplatz verfügen!“ so Uhrig. Unter-25-Jährige erhalten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II nur, wenn der kommunale Träger diese vor Abschluss des Mietvertrages zugesichert hat. Viele dieser jungen Leute in prekären Lebenssituationen, ohne Job und ohne Ausbildung, fliehen aber vor unhaltbaren häuslichen Verhältnissen oder werden von den Eltern vor die Tür gesetzt und landen dann in prekären und nicht selten von Gewalt und Missbrauch geprägten Lebenssituationen.

„Die sog. Reformen im Gesundheitswesen haben nicht nur den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Wohnungslose weiter erschwert, sondern führen geradewegs in eine Zwei-Klassenmedizin: Eine immer größer werdende Zahl armer Patientinnen und Patienten kann sich einen normalen Arztbesuch mit Praxisgebühren oder ein kostenpflichtiges Arzneimittel aus der Apotheke nicht mehr leisten“, sagte Uhrig. Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. fordert die Wiedereinführung der Befreiung von Zuzahlungen und Praxisgebühren für Bezieher und Bezieherinnen von SGB II - und XII – Leistungen sowie eine reguläre Finanzierung der niedrigschwelligen medizinischen Projekte für Wohnungslose durch Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und Kommunen, denn die Projekte können nicht auf Dauer von Spenden und dem Engagement freier Träger existieren.

Auch wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen benötigten einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Der klassische Zirkel „Ohne Arbeit, keine Wohnung - ohne Wohnung, keine Arbeit“ müsse durchbrochen werden, so die BAG W in München.

Maßnahmen zur Vermeidung von Wohnungsverlusten, die besonderen Notlagen der Unter-25-Jährigen sowie das Recht auf Gesundheit für Wohnungslose und Arme werden Schwerpunkte der geplanten Kampagne sein.

München, den 20.11.2009

PRM_2009_11_20_Kampagne.pdf