Aus der Praxis

Die erste Ausgabe der Zeitschrift wohnungslos des Jahres 2019 greift eine Reihe aktueller Themen auf.

Eine Bundestagsanfrage der AfD-Fraktion nimmt Wolfgang Sartorius zum Anlass, aktuelle rechtspopulistische Tendenzen zur immer offensiveren Infragestellung des rechts- und sozialstaatlichen Grundkonsens dieser Gesellschaft entgegenzutreten und auf die damit einhergehende Radikalisierung gegenüber „den Anderen“ – Menschen in einer Armutssituation oder nicht-deutscher Herkunft – aufzuzeigen, die immer häufiger die Grenze zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit überschreitet. In ihrer Anfrage suggeriert die AfD nicht nur einen grundsätzlich bestehenden Zusammenhang zwischen der Obdachlosigkeit von EU-BürgerInnen, die aufgrund der bestehenden Freizügigkeitsregelungen in Deutschland leben, sie zielt mit ihren Fragen an die Bundesregierung zugleich auch darauf ab, die Arbeit wohlfahrtstaatlicher Organisationen, die sich für die Belange dieser und vieler andere Menschen in sozialen Schwierigkeiten engagieren, in Frage zu stellen und zu diskreditieren. Demgegenüber fordert Sartorius einen stärker konstruktiv-kritischem Diskurs und mehr Respekt.

Andrea Hniopek und Julien Thiele plädieren in ihrem Beitrag für eine stärkere Berücksichtigung von Menschen mit einer trans*Identität in den Angeboten und Einrichtung der Wohnungslosen. Einer zunehmenden Nachfrage von Hilfeangeboten durch diesen Personenkreis steht nach Ansicht der AutorInnen bisher noch eine ungenügende konzeptionelle Auseinandersetzung mit dieser Zielgruppe gegenüber. Hniopek und Thiele plädieren daher für die Schaffung von Schutzräumen – etwa durch Bereitstellung von Einzelzimmern in der Unterbringung und entsprechend qualifiziertes Fachpersonal – als Voraussetzung zur Öffnung der Hilfeangebote auch und gerade für Menschen mit einer trans*Identität.

Sabine Sell stellt in ihrem Beitrag das im Rahmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) geförderte Projekt RE_StaRT vor, dass Menschen durch niedrigschwellige Beratung und Begleitung frühzeitig Zugang zu Sozialleistungen und weiterführenden Hilfen ermöglichen soll. Die Evaluation der bisher zweijährigen Arbeit des Projekts zeigt unter anderem, dass es gelungen ist, verlässliche Netzwerkstrukturen für die Zielgruppe zu entwickeln. Entsprechend ist es zu begrüßen, dass es mittlerweile gelungen ist, die durch die EHAP-Förderung entstanden Strukturen zu verstetigen.

Bitte beachten Sie auch die aktuellen Positionspapiere zur „Grundsätzlichen Positionsbestimmung stationärer Hilfen im Wohnungsnotfall“ und zu den „Sozialrechtlichen Grundlagen der Erschließung von gesundheitlichen Hilfen nach § 6 DVO zu § 69 SGB XII“, die vom Vorstand der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. im November 2018 verabschiedet wurden. Hinweisen möchten wir auch auf die aktuelle 12. Präventionstagung, die am 27. Juni in Darmstadt stattfinden wird. Das ausführliche Programm liegt dieser Ausgabe bei.

Ich hoffe, dass auch mit dieser Ausgabe der wohnungslos die Fachdebatten weiter befördert werden können.

Rolf Jordan
Schriftleitung wohnungslos